Datum: 28. März 2004 23:08
ich gebe zu, daß die Faktorenanalyse unter
[www.wetter-zentrale.com];
von einigen eine Menge Hirnschmalz abverlangt. Aber warum sollte man die DWD-Daten (oder auch die von Privatstationen) vergammeln lassen? Jahrelanges Messen, nur um dann einen schnöden Mittelwert daraus bilden zu können? Das ist doch ein arg zu krasses Missverhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis und kann dem Steuerzahler wohl kaum als Argument für bemannte Stationen dienen … stop - war nur ein Witz!
Die genaue Analyse der PCs ermöglicht von anscheinend langweiligen, mehr oder weniger "gottgegebenen" Zeitreihen auf tiefgreifende meteorologische Zusammenhänge zu schließen, wie ich nun zeigen werde. Die dabei extrahierten Informationen stecken aber sämtlich schon in den Messdaten, man muß nur wissen, wie man die Schleier lüftet.
Also jede der 35 Zeitreihen x läßt sich mit einer gewissen Genauigkeit aus 4 universellen Zeitreihen PC1…PC4, den principal components, und einem von der betrachteten Zeitreihe abhängigen Parametersatz aus den 5 Werten a1,...,a4, b darstellen. Jede Zeitreihe wird also von 156 Werten (Monate 01/91 bis 12/03) auf 5 Werte (+ die 4*156 Werte der 4 universellen PCs) reduziert.
x = a1*PC1 + a2*PC2 + a3*PC3 + a4*PC4 + b
Die PCs sind nun so gebastelt, daß ihr Mittelwert über die Monate Null ist. Der Mittelwert von x ist also die Konstante b. In meinem Beispiel (13Jahre*12 Monate = 156 Werte) ist also b das Jahresmittel der Station von Zeitreihe x über die 13 Jahre 1991 bis 2003.
Das Jahresmittel ist sicherlich von geographischen Standortfaktoren abhängig. Läßt sich das auch für die anderen Parameter a1…a4 sagen? Die Antwort ist: ja, bedingt.
Machen wir eine lineare Regression der Parameter a1, …a4, b mit den Präktoren des Standortes: Stationshöhe H (in Metern), geogr. Breite B und Länge L (in Grad). D.h. jeder Parameter soll sich als Linearkombination der Prädiktoren H, B, L darstellen lassen, der Form
<pre>
b = c0 + c1*H + c2*B + c3*L
…
a4 = c16 + c17*H + c18*B + c19*L
Wobei die 20 Koeffizienten c0,…c19 letzten Endes die Zeitreihen JEDER der 35 Stationen
(a 156 Werte = 5460 Messwerte) in Abhängigkeit von der geographischen Lage beschreibt!! Statt der 5460 Messwerte NUR 20 Koeffizienten (+ 4 PCs + geographische Daten)!!!
b a1 a2 a3 a4
C 34.950 2.626 27.435 -20.210 -8.999
B -0.458 -0.034 -0.525 0.382 0.284
L -0.087 0.029 -0.065 0 -0.526
H -0.006 0.000 0 0.002 0.000
Das sind sie! Die Spalten geben die Parameter an, die Zeilen den Koeffizenten
vor dem links angebenen Prädiktor an, C ist die jeweilige Konstante (c0,c4,c8, c12,c16). Der Koeffizient der Regressionsgerade zwischen Jahresmittel b von der Stationshöhe H ist z.B. -0.006 K/m. Das bedeutet, daß das Jahresmittel um 6K/1000 Höhenmetern abnimmt. Das ist in guter Übereinstimmung mit dem mittleren vertikalen Temperaturgradienten in der Atmosphäre, ist aber ein Ergebnis empirischer Daten, nicht einer Theorie! Ferner sieht man, daß das Jahresmittel mehr von der geographischen Breite als der Länge abhängt. Pro 1° Richtung Norden (111km) nimmt das Jahresmittel um 0.46K ab! Nach Osten nimmt es um 0.09K/° (1° ~ 70 km) ab, was ebenfalls qualitativ mit der Erfahrung übereinstimmt.
Die lineare Regressionsgerade für das Jahresmittel b an einem beliebigen Ort (B,L,H) im Gebiet der 35 deutschen Stationen läßt sich so abschätzen (zentriert auf B=50°N, L =10°E):
b = 11.18 °C -0.458*(B-50°) - 0.087*(L-10°) - 0.006*H
Mittel b H B L
10962 7.3 6.6 986 47.8 11.0
10961 -4.1 -4.3 2962 47.4 11.0
10946 7.7 8.3 705 47.7 10.3
10929 10.0 9.8 447 47.7 9.2
10852 8.8 9.2 463 48.4 10.9
10763 9.5 9.6 312 49.5 11.1
10738 9.7 9.5 419 48.7 9.2
10727 11.3 11.0 145 49.0 8.4
10708 9.6 10.0 320 49.2 7.1
10685 7.3 7.7 568 50.3 11.9
10675 9.4 9.8 243 49.9 10.9
10655 9.9 9.8 268 49.8 10.0
10637 10.8 10.6 113 50.1 8.6
10609 10.0 10.1 273 49.8 6.7
10578 3.6 3.9 1215 50.4 13.0
10554 8.7 8.8 323 51.0 11.0
10548 8.0 8.4 453 50.6 10.4
10501 10.5 10.0 205 50.8 6.1
10499 8.9 8.9 238 51.2 15.0
10488 9.5 9.1 226 51.1 13.8
10469 9.6 9.5 149 51.4 12.2
10400 10.8 10.6 44 51.3 6.8
10393 9.3 9.2 112 52.2 14.1
10384 10.0 9.5 49 52.5 13.4
10379 9.4 9.3 100 52.4 13.1
10361 9.5 9.6 85 52.1 11.6
10338 9.7 9.8 54 52.5 9.7
10270 9.4 9.4 39 52.9 12.8
10224 9.5 9.9 5 53.1 8.8
10184 8.8 9.0 6 54.1 13.4
10170 9.4 9.0 10 54.2 12.1
10162 9.1 9.0 68 53.6 11.4
10147 9.5 9.4 16 53.6 10.0
10035 8.6 8.9 48 54.5 9.6
Die wahren Stationsmittelwerte "Mittel" und ihre nach der Formel abgeschätzen Werte "b"
sind in der obigen Tabelle ausgelistet. Ich finde, die Übereinstimmung ist faszinierend gut und zeigt, wie viel allein die geographische Lage ausmacht! Wohlgemerkt, diese Formel ist abgeleitet aus den Daten der Jahre 1991 bis 2003, ihre Gültigkeit ist auch nur auf diesen Zeitraum beschränkt. Wobei man davon ausgehen kann, daß einige Koeffizienten auch in anderen Zeitintervallen oder Stationenauswahlen ähnlich sein werden, z.B. die 6K/1000m …
Nun zu den anderen Parametern. Bei a2 läßt sich keine signifikante (95%) Abhängigkeit von der Höhe erkennen, bei a3 keine von L. Offfenbar spiegelt die PC2, denen Koeffizient a2 ist, die Abhängigkeit der Temperatur von der Geographie wider ohne die Topographie zu berücksichtigen, dagegen bewirkt PC3 eine jahreszeitliche Modifikation der Höhenabhängigkeit der Temperatur, die zudem noch von der Breite abhängt.
In der Tat zeigt die PC3 eine Abhängigkeit der Zeitreihenwerte mit Jahrsperiodik. Im April erreicht PC3 das Minimum, im Oktober das Maximum. Da a3 positiv von der Höhe abhängt, d.h. der Anteil von PC3 mit zunehmender Höhe zunimmt, kann PC3 möglicherweise einen inversionslagenbedingten Anstieg der Temperaturen auf Bergen im Herbst widerspiegeln, im April sind Inversionen dagegen seltener, die Temperatur auf Bergen also vergleichsweise niedriger. Daß dieser Effekt nach Norden hin zunimmt liegt möglicherweise an der Überbetonung der Mittelgebirge gegenüber Hohenpeissenberg/Zugspitze. Die Inversionswirkung ist vielleicht wenig von der Höhe abhängig und täuscht so eine Breitenabhängigkeit vor.
PC1 (Koeffizient a1) spiegelt den Jahresgang der Monatsmittel wider und zeigt Jahresperiodik mit Maximum im Juli und Minimum im Januar. Von der Höhe ist PC1 wenig abhängig, d.h. die Amplitude Jahresschwankungen ist wenig höhenabhängig. Nach Norden und Westen nimmt die Amplitude ab, was sich zwangslos mit der zunehmenden Ozeanität des Klimas in Deutschland in diesen Richtungen erklären läßt.
Fokker